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Nutzung von Biomasse aus dem Wald

Eine Entscheidungshife

PRO SILVA AUSTRIA versteht nachhaltige Waldbewirtschaftung als umfassende Nutzung und Pflege des Waldes.

Pro Silva begrüßt die steigende Nachfrage nach Biomasse (Brenn- und Energieholz) aus dem Wald. Wir sehen aber Nachteile, wenn die Nutzung der Biomasse flächig und undifferenziert erfolgt und wenn im Vollbaumverfahren die gesamten, in Rinde, Ästen, Zweigen und Nadeln bzw. Blättern enthaltenen Nährstoffe dem Waldökosystem entzogen werden. Wir betrachten das Waldökosystem als Ganzes und sehen Auswirkungen des Entzuges von Biomasse nicht nur auf die Nährstoffbilanz eines Waldstandorts, sondern auch auf den Wasserhaushalt, den Humusvorrat und -zustand, sowie auf das bodennahe Mikroklima und das Bodenleben.

Dieses Positionspapier soll dem Waldeigentümer und Waldbewirtschafter als Anregung und Denkanstoß dienen. Entscheidungen muss er selbst treffen.

Biomasse aus dem Wald - Chancen und Probleme

Die Nachfrage nach erneuerbarer Energie aus regionalen Ressourcen hat der Biomasse aus den Wäldern neue Marktchancen erschlossen. Eine erfreuliche Entwicklung für den Waldeigentümer, für die regionale Wertschöpfung und für den Klimaschutz.

Kostendruck und hochmechanisierte Holzerntesysteme haben besonders im Seilgelände zunehmend zur Nutzung im Vollbaumverfahren geführt.

Laut einer Untersuchung des Bundesforschungs- und Ausbildungszentrums für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), Holz- und Biomassestudie, ist auf knapp der Hälfte des österreichischen Ertragswaldes die Ernte der oberirdischen Biomasse bei nachhaltiger Nährelementversorgung möglich. Auf etwa einem Viertel der Standorte ist dies problematisch und auf etwa einem Viertel soll die Vollbaumernte unterbleiben. Abweichungen von diesen empfohlenen Nutzungsbeschränkungen ergeben sich aus den unterschiedlichen Bodentypen, besonderen Standortsverhältnissen (z. B. Bodenverdichtung) und aus der Intensität der Nutzung. Zusätzlich zu den standörtlich bedingten Beschränkungen führen ökonomische Betrachtungen (Erschließung, Seilgelände) und Naturschutz-Auflagen zu geringeren Nutzungsmöglichkeiten.

Das Problem liegt darin, ein vernünftiges Maß der Nutzung der Biomasse aus den Wäldern und eine Balance zwischen Nutzung und Belassen zu finden. Die Aufnahmekapazität bzw. die Nachfrage des Energieholzmarktes kann nicht der Maßstab sein. Vielmehr kommt es auf die langfristige Gesundheit und auf die Erhaltung der Produktionskraft der Wälder an (vergleiche Paneuropäische Kriterien für Nachhaltige Waldwirtschaft und Pro Silva Grundsätze). Zusätzlich wird in Zukunft eine erhöhte Anpassungsfähigkeit der Waldökosysteme auf Klimaänderungen notwendig werden.

Definition

In diesem Beitrag wird unter Vollbaumverfahren = Vollbaumernte die Fällung des Baumes, die Bringung und Aufarbeitung außerhalb des Schlagortes verstanden. Der Wurzelstock verbleibt im Boden.

Biomassenutzung und Klimawandel

Die Waldeigentümer stehen im Zusammenhang mit dem Klimawandel vor umfassenden Herausforderungen: In den kommenden Jahrzehnten ist unter anderem mit Temperaturanstieg, höherer Verdunstungsrate und Zunahme an Trockenzeiten zu rechnen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf vielen Waldflächen der Bodenwasserhaushalt zum Engpass wird. Für die Praxis der Waldbewirtschaftung bedeutet das, alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Wasserspeicherfähigkeit des Waldbodens auszunutzen. Eine der Möglichkeiten liegt im Umfang des Ernterücklasses.

In den Berglagen könnte sich mit dem Temperaturanstieg die Biomasseproduktion der Wälder erhöhen. Ebenso ist mit der Temperaturzunahme ein rascherer mikrobieller Abbau der organischen Substanz zu erwarten. Der Kreislauf der Nährstoffe würde „angekurbelt“, wenn auch der Bodenwassergehalt ausreichend ist. Daher ist auch in den Berglagen ausreichend organische Substanz, die am Schlagort (nicht an der Forststraße!) verbleibt notwendig. Wenn die Basis der Bodenfruchtbarkeit nicht durch Vollbaumnutzung u. a. geschmälert wird, könnte durch den Klimawandel sogar eine Verbesserung der nachhaltigen Produktionsleistung von Bergwäldern entstehen.

Bedeutung von Bestandesabfall und Ernterücklass für den Waldboden

In der Holz- und Biomassenstudie des BFW wird die Nährstoffnachhaltigkeit des Standortes untersucht. Die Nährstoffbilanz wurde deswegen verwendet, weil dazu gesicherte Daten verfügbar sind. Nicht berücksichtigt werden konnte der Kohlenstoff der Biomasse, der letztlich im Humus gespeichert wird. Der Humusgehalt der Böden hat große Bedeutung für den Wasserhaushalt und die Nährstoffversorgung der Bäume und damit für die Bodenfruchtbarkeit.

Während der Verrottung ist die organische Substanz zunächst die Nährstoffgrundlage für Bodenflora und Bodenfauna (Destruenten). Im Laufe der Abbauprozesse wird der Nährstoffgehalt der Biomasse sodann zur neuen Nährstoffquelle des Pflanzenwachstums. Warum sollte man das Ausmaß der Nährstoffnachlieferung verringern? Seit den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Holznutzung von Derbholz ohne Rinde auf Derbholz in Rinde umgestellt

Damit hatte sich der Nährstoffentzug bereits wesentlich erhöht. Einschränkend muss gesagt werden, dass erst in den 50er-Jahren die weit verbreitete Streunutzung beendet wurde. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass bei der Vollbaumernte deutlich weniger Nadelmasse aus dem Bestand entnommen wird als bei der Streunutzung. Bei einer klassischen Streunutzung wird je nach Wiederkehrdauer eineinhalb bis zweieinhalb Mal soviel Nadelmasse entnommen als bei der Vollbaumernte.

Möglichst viel Biomasse am Waldboden ist entscheidend für die Aktivität von Mykorrhizen und den Wasserhaushalt des Waldökosystems. Die organische Substanz des Waldbodens besitzt eine hohe Wasserkapazität. Sie kann das 3 bis 5-fache ihres Eigengewichtes an Wasser festhalten. Jeglicher  Holzernterücklass wie Blätter oder Nadeln und Äste ist daher nicht nur „Futter“ für den Nährstoffkreislauf, sondern ist auch Nachschub für die organische Substanz im Wald.

Für die Humusbildung entscheidend ist die Menge und Qualität an organischer Substanz am Waldboden. Humus ist von großer Bedeutung für die Nährstoff- und Wasserversorgung der Waldbäume. Durch Humus entsteht eine besonders günstige Bodenstruktur, es werden Wasser und Nährstoffe optimal gespeichert und wiederfreigesetzt. Die zentrale Bedeutung des Humus für die Bodenfruchtbarkeit gilt für alle Standorte, besonders jedoch für die nährstoffarmen.

Der Ernterücklass wirkt zudem als „Mulchdecke“ zur Einschränkung der Konkurrenzvegetation, mindert die Erosion, beeinflusst das Klima der bodennahen Luftschicht und das Temperatur- und Wasserregime des Bodens günstig und erhöht den Humusvorrat. Verringert man den Ernterücklass, mindert man seine günstigen Wirkungen.

Der Ernterücklass hat eine positive Wirkung auf das Ankommen der Naturverjüngung, da er als Barriere vor Verbiss schützt. Das saure Keimbett auf vermoderndem Holz begünstigt die Verjüngung von Nadelbäumen.

Biomassenutzung und Biodiversität

Vollbaumernte ist nicht Totholznutzung! Allerdings werden in der Praxis auch abgestorbene oder absterbende Bäume (liegendes und stehendes Totholz) als Biomasse mit genutzt. Die Nutzung von Biomasse aus dem Wald hat daher auch direkten Einfluss auf die biologische Vielfalt. Die vollständige Entnahme abgestorbenen Holzes und die Unterbrechung des Totholzangebotes durch intensive Biomassenutzung kann nicht ohne gravierende Auswirkungen auf die nachhaltige Funktionsfähigkeit und Produktivität des Ökosystems Wald bleiben.

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Biomassenutzung und Forstschutz

Unter bestimmten Bedingungen – z.B. Borkenkäfer-Gradationen – kann die vollständige Nutzung von Brutmaterial auch geringer Dimensionen als Waldhackgut zur raschen und effizienten Bekämpfung beitragen.

Biomassenutzung und ökonomische Konsequenzen

Die gestiegenen Marktchancen für Biomasse aus dem Wald sind aus mehreren Gründen zu begrüßen:

  • nachhaltige Einnahmen für den Waldeigentümer
  • nachhaltige regionale Wertschöpfung
  • Klimaschutz, weil Energieholz CO2 neutral ist

Die Erzeugung von Hackgut aus Ästen, Zweigen und Blatt- bzw. Nadelmasse erweist sich aber meist als nicht kostendeckend, da nach bisherigen Studien die Bereitstellung zwar kostengünstig, aber die erzielbaren Erlöse aufgrund der schlechten Hackgutqualität niedrig sind.

Hingegen ist die Produktion von Energieholz in Dimensionen größer als Derbholzgrenze (ab 7 cm MR)je nach Bringungslage wieder kostendeckend möglich.

Durch die vermehrte Entnahme nährstoffreicher Biomasse wird der Nährstoffhaushalt belastet, je nach Intensität des Nährstoffexportes muss mit vermindertem Zuwachs der Bestände gerechnet werden.

Wird bei jeder Nutzung die gesamte Biomasse entnommen, wird der Nährstoffhaushalt nach bisherigen Erkenntnissen sicher belastet. Die Nutzung im Ganzbaumverfahren zieht nach bisherigen Untersuchungen Zuwachsverluste nach sich. Diese Zuwachsverluste sind zu bewerten und ökonomisch zuberücksichtigen.

Im Hinblick auf die Unwägbarkeiten des Klimawandels gehen alle Wälder einer unsicheren Zukunft entgegen. Deswegen entspricht es der kaufmännischen Vorsicht und dem Prinzip der Nachhaltigkeit, den ökologischen Reichtum gut nährstoffversorgter Waldböden zu bewahren und nicht bis an eine rechnerisch mögliche Grenze zu verbrauchen.

Pro Silva Austria sieht im Vollbaumverfahren bei systemischer Betrachtung keinen ökonomischen Vorteil. Das Vollbaumverfahren kann deshalb nur in Ausnahmefällen, nicht uneingeschränkt und nur nach sorgfältiger Prüfung der standörtlichen Gegebenheitenempfohlen werden.

Empfehlungen für Wälder in Bewirtschaftung
  • Bei Laubholz Nutzungen auf Derbholz in Rinde beschränken, alles, wasnicht Derbholzdimension erreicht, soll im Wald verbleiben.
  • Bei Nadelholz Nutzung im Vollbaumverfahren nur auf vertretbaren Standorten unter Abzopfen des Wipfels und Verbleib der Grobäste am Schlagort.
  • Nutzung nur in standortsangepasster Intensität und Wiederkehrdauer. Belassen eines angemessenen Anteils der produzierten Biomasse als Nährstoffpool und Humusbildner im Wald, möglichst viel Schlagabraum verteilt auf der Hiebsfläche belassen und nicht am Aufarbeitungsort(Forststrasse) konzentrieren.
  • Genaue Dokumentation der Biomassenutzungen nach Intensität und Wiederkehr zur Nachhaltigkeitskontrolle.

Als Schlagabraum wird das bei der Ernte im Wald verbleibende Holz bezeichnet. Das ist Kronenderbhlz, daß nicht zu Industrieholz aufgearbeitet wird, kurz Stammabschnitte, Bruchholz und Reisholz, sowie Rinde, sofern Waldentrindungen durchgeführt werden

Das Ökosystem Wald

Das Ökosystem Wald könnte man als weitgehend automatisierte Fabrik bezeichnen. Seine Prozessenergie gewinnt diese Produktionsstätte mit Hilfe der Photosynthese der Pflanzen aus der Sonne. Die Baustoffe (Nährstoffe) befinden sich in einem ständigen– aber nicht geschlossenen – Kreislauf. Innerhalb eines Baumlebens werden die Nährstoffe mehrfach wieder verwendet.

Allerdings hat ein Großteil der österreichischen Waldfläche eine bewegte Geschichte hinter sich: Beweidung, Streunutzung, Schneitelung, Plünderhiebe oder Großkahlschläge,Aufforstungen mit „marktgerechten“, aber nicht standortsgerechten Baumarten, intensive Schalenwildhege u. a. haben die Waldökosysteme stark verändert und teilweise geschwächt.

Die praktische Waldbewirtschaftung in Österreich hat sich vor allem ab der Mitte des 20. Jahrhunderts neu orientiert und eine langwierige Aufbauphase eingeleitet– das zeigen die Daten der Österreichischen Waldinventur.

Es stellen sich die Fragen:

  • Von wie vielen Waldböden könnte man heute sagen, sie hätten den Optimalbereich ihrer möglichen Leistungskraft bereits erreicht?
  • Ist im Bereich der Bodenfruchtbarkeit nicht auch weiterhin Sanierungs- und Aufbauarbeit zu leisten? Leiden nicht viele Böden, insbesondere in Siedlungsnähe,noch immer unter der Degradation durch die lange Streunutzung?
  • Stellt der Trend zur Nutzung im Vollbaumverfahren und damit die Entnahme der Biomasse bis in den Bereich des Äste, Zweige und Blätter bzw. Nadeln die forstliche Aufbauarbeit der letzten 50 - 60 Jahre in Frage?

Wenn es um ein Problem geht – z.B. das Ausmaß der Entnahme von Biomasse aus dem Wald – sollte man nicht nur das Problem selbst betrachten, sondern das ganze Ökosystem, in dem das Problem ein Teil ist.

Impressum:

Pro Silva Austria – Naturnahe Waldwirtschaft, www.ProSilvaAustria.at

Vorsitzender: DI Dr. Eckart Senitza, eckart@senitza.at

Autoren: Georg Frank, Eduard Hochbichler, Christian Kanzian, Josef Spörk

Wir danken besonders Michael Englisch (BFW) und Karl Stampfer (BOKU) für die konstruktive

Kritik und kritische Diskussion. Folgende Experten wurden konsultiert und haben Kommentare

abgegeben: Andreas Amann, Johannes Doppler, Rudolf Löschenkohl, Artur Perle, Johannes

Wohlmacher.

Verwendete und weiterführende Literatur kann bei den Verfassern angefordert werden.

1. Auflage 2011, 2. Auflage 2015

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