1.1 Das im Verlauf der postglazialen Wiederbesiedlung Europas mit Wald entstandene Vegetationsmuster der verschiedenen Waldregionen stellt grundsätzlich ein zu erhaltendes Naturgut dar. Es sollte daher von der ertragsorientierten Forstwirtschaft als die wichtigste Basis aller waldbaulichen Maßnahmen akzeptiert werden.
1.2 Fremdländische Baumarten können unter bestimmten Umständen das einheimische Vegetationsmuster anreichern und den forstwirtschaftlichen Ertrag erhöhen.
Als fremdländische Baumarten sind alle Baumarten anzusehen, die der jeweiligen natürlichen Waldgesellschaft bislang nicht angehört haben und aus weiter entfernten Regionen eingebürgert wurden.
Ihre Verwendung im Waldbau darf nur nach sorgfältiger, kritischer Prüfung erfolgen. Diese Prüfung beinhaltet qualitative und quantitative Aspekte.
2.1 Intakte Naturwälder: In Waldgebieten mit noch natürlicher oder naturnaher Baumartenzusammensetzung und gutem Holzertragspotential besteht kein Anlass zum Anbau fremdländischer Baumarten.
2.2 Waldregionen mit mangelhafter Naturausstattung: In bestimmten Waldregionen Europas, in denen die postglaziale Rückwanderung der Baumarten nicht beendet werden konnte, deren Baumarteninventar daher im Vergleich mit den klimatischen und standörtlichen Möglichkeiten artenarm ist und vielleicht nur geringen forstlichen Ertrag bringt, können fremdländische Baumarten eine wertvolle Bereicherung darstellen.
2.3 Anthropogen veränderte Wälder: Im Waldregionen, in denen durch historische Einflüsse die genetische Fitness der Baumarten beeinträchtigt ist und deren Böden durch menschliche Ma?nahmen geschädigt sind, kann, sofern für diese Standorte keine besseren Baumarten zur Verfügung stehen und auch die natürliche Sukzession nicht hilfreich ist, eine Einbringung nicht heimischer Baumarten zu einer Konsolidierung der Wälder beitragen (Hilfsbaumarten, z. T. mit Pionierfunktionen).
2.4 Ödland: Auf total verwüsteten und entwaldeten Flächen ohne Waldklima können fremdländische Baumarten unentbehrliche Pionierfunktionen erfüllen, sofern für diese Standorte keine besseren Baumarten zur Verfügung stehen oder auf der Freifläche noch nicht wieder angebaut werden können und auch die natürliche Sukzession nicht hilfreich ist.
3.1 Nischenexpansion: Bestimmte fremdländische Baumarten vollziehen eine Okkupation bislang nicht ausgefüllter ökologischer Nischen und besetzen diese durch eine Invasion dauerhaft zu Lasten der einheimischen Vegetation.
3.2 Standortverschlechterung: Manche fremdländischen Baumarten verschlechtern die Standortskraft der Böden durch schlechte Streuzersetzung, Versauerung und mangelhafte Bodenerschließung.
3.3 Krankheitsverbreitung: Mit der Einbringung fremdländischer Baumarten in die vorhandene Vegetation besteht unter Umständen die Gefahr einer Einschleppung pathogener Organismen, die die einheimische Vegetation beeinträchtigen.
3.4 Krankheitsbefall: Manche fremdländischen Baumarten unterliegen einem Befall durch pathogene Organismen der einheimischen Ökosysteme oder sind auf andere Weise gefährdet.
3.5 Mangelhafte Vernetzung: Fremdländische Baumarten lassen sich u.U. in heimische Ökosysteme nicht einpassen. Sie lassen sich mit einheimischen Arten nicht mischen, lassen heimische Bodenvegetation nicht aufkommen und werden von Tieren der einheimischen Fauna gemieden.
3.6 Unfähigkeit zur Selbsterneuerung: Manche fremdländischen Baumarten sind nicht fähig oder nicht in ausreichendem Maße in der Lage, sich über Naturverjüngung selbst zu erneuern, und bedürfen daher permanenter künstlicher Pflanzungsmaßnahmen.
4.1 In jeder Waldregion sollen ökologisch wirksame Anteile der einheimischen Waldgesellschaften erhalten oder wieder verwirklicht werden. Das schließt einen ausschließlichen oder auch nur vorrangigen Anbau fremdländischer Baumarten in der Großregion aus.
4.2 Die eingebürgerte Art darf in ihrer Naturverjüngung und in ihrem Konkurrenzverhalten nicht so aggressiv sein, dass sie einheimische Baumarten verdrängt und sonstige Vegetation ausschließt.
4.3 Die eingebürgerte Art muss dem Klima und den Standorten der Region angepasst sein. Sie darf die Böden nicht verschlechtern. Ihre Streu soll leicht zersetzbar sein. Der Streuabbau und die Mineralisierung müssen durch Tiere, Mikroorganismen und Pilze einheimischer Arten geleistet werden.
4.4 Die eingebürgerte Art darf keine Krankheiten verbreiten oder zu sonstigen Labilisierungen der Ökosysteme beitragen.
4.5 Die eingebürgerte Art selbst darf über ein Normalma? hinaus nicht durch abiotische und biotische Risiken bedroht sein
4.6 Die eingebürgerte Art sollte in bescheidener Weise in einheimische Vegetation eingebettet werden. Sie muss deshalb mischbar sein, sich mit der sonstigen einheimischen Flora ökologisch in Waldgesellschaften verbinden und sie darf einheimische Fauna nicht ausschlie?en.
4.7 Die eingebürgerte Art sollte über Naturverjüngung gemeinsam mit einheimischen Arten erneuerbar sein.